Unsere Forschungsschwerpunkte
Wir forschen empirisch zu Bildung und Empowerment an der Schnittstelle von informeller, non-formaler und schulischer Bildung im postdigitalen Zeitalter.
Warum Bildung und Empowerment im informellen und non-formalen Bereich?
Wir erforschen Bildung im Wechselspiel von Person und Umwelt. Wir untersuchen, wie sich informelle und non-formale Bildungsprozesse so gestalten lassen, dass Personen kognitive und psychomotorische Kompetenzen ebenso erwerben können wie hohes Selbstwirksamkeitserleben und andere hilfreiche Überzeugungen. Wir explorieren, welche Bildungsaktivitäten mit dem Erleben von Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit einhergehen und wann sie die persönliche Entwicklung fördern bzw. sich in sich in hilfreichen charakteristischen Anpassungen niederschlagen.
Neben Determinanten von Empowerment auf Personenseite nehmen wir auch auf Umweltseite Voraussetzungen für Empowerment in den Blick. Wir erforschen empirisch, wie sich informelle und non-formale Bildungsgelegenheiten analog, digital und hybrid so gestalten lassen, dass Menschen über die Lebensspanne hinweg gemeinsam den Mut dazu finden und die Kraft dazu aufbringen, ihren Verstand ohne Anleitung anderer zu gebrauchen, ihr Leben gemeinschaftlich in die eigenen Hände zu nehmen und zuversichtlich an ihren persönlichen Zielen zu arbeiten. Letztere liegen häufig im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir erforschen, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich erfolgreich vernetzen können, auch digital, auch über Familie und Freundeskreis hinaus, und was sie motiviert, zur Weiterentwicklung der Gesellschaft beizutragen. Einen besonderen Fokus legen wir hierbei auf ländliche Räume.
Warum legen wir den Fokus auf informelle und non-formale Bildungsprozesse sowie ihre Schnittpunkte mit formaler Bildung? Hier können die Lernenden stärker als im formalen Bereich ihre Bildungsprozesse eigenverantwortlich gestalten. Zugleich sind diese Prozesse ohne größere Beschränkungen durch externe Regularien wie Lehrpläne für gezielte Interventionen zugänglich, in deren Rahmen sich Gelingensbedingungen von Empowerment erforschen lassen.
Effekte digitaler Rahmenbedingungen sind integraler Bestandteil all unserer Forschung. Hier fokussieren wir darauf, welche Chancen sich in einer postdigitalen Gesellschaft jenseits von plattformökonomischen Geschäftsmodellen ergeben, und wie die Lernenden selbst weitestgehende Kontrolle über Inhalte, Daten Algorithmen und Benutzerschnittstelle erlangen können.
Warum empirisch?
Wesentliche Erkenntnisse in den Sozialwissenschaften beruhen auf quantitativer und qualitativer empirischer Forschung. Beispiele hierfür sind Forschung zu Effekten wirtschaftlicher Krisen auf die Entwicklung über die Lebensspanne hinweg (Elder, 1974), Evidenz zur Wirksamkeit verschiedener Personalauswahlverfahren (Schmidt & Hunter, 1998) bis hin zu Forschung zur Unterrichtspraxis an Schulen (Klieme et al., 2006). Wir nutzen empirische Methoden für die Erforschung von Bildungs- und Empowermentprozessen im Kontext der digitalen Transformation der Gesellschaft. Dabei integrieren wir quantitative Methoden einschließlich Mehrebenen- und Strukturgleichungsmodellen sowie qualitative Methoden in einem Mixed-Methods-Ansatz. Bei der Datenerhebung gehen wir über herkömmliche Fragebögen und Interviews hinaus: Wir verwenden Leistungstests und computersimulierte Problemlösungsszenarien zur Kompetenzerfassung ebenso wie Verhaltensspuren und perspektivisch physiologische Parameter. Darüber hinaus nutzen wir Methoden aus dem Bereich von Data Science/Big Data (a) für breit angelegte und gleichwohl systematische Forschungssynthesen (b) für die Auswertung qualitativer Interviews und (c) für die adaptive Gestaltung von bildungsbezogener Software. Die verschiedenen methodischen Zugänge verzahnen wir in Projekten zu einer Forschungsstrategie, die das gesamte Spektrum von Querschnitt- und Längsschnittstudien bis hin zu kontrollierten Feldexperimenten und Interventionen umfasst. Letztere sind eingebettet in einen designbasierten Ansatz zur effizienten Entwicklung von Treatments mit hoher externer bzw. ökologischer Validität. Die Projektergebnisse fließen in die Weiterentwicklung theoretischer Rahmenmodelle ebenso ein wie in die Entwicklung von Interventionskonzepten für die Praxis. Bei all dem legen wir Wert auf die ko-kreative Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Praxisakteuren via Citizen Science, die Publikation via Open Access, die Offenlegung von (Meta-)Daten und Code im Rahmen von Open Science und die Darlegung der Beiträge verschiedener Autoren über die CRediT-Taxonomie.
Der geschilderte empirische Zugang zur Erforschung von Bildung und Empowerment im postdigitalen Zeitalter kennzeichnet unsere Projekte in den folgenden inhaltlichen Bereichen:
- MINT-Bildung
- Kulturelle Bildung
- Sprachliche Bildung
- Fächerübergreifende Kompetenzen, bildungsbezogene Überzeugungen und charakteristische Anpassungen
Dabei kann je nach Projekt ein besonderer inhaltlicher Fokus auf ländlichen Räumen liegen und ein besonderer methodischer Fokus auf der Anwendung von Methoden aus dem Bereich Forschungssynthesen und Data Science/Big Data.
1. MINT-Bildung
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sind grundlegend für (post-)digitale Gesellschaften. Kompetenzen in diesen Bereichen sind nicht nur wesentlich für den Erfolg in vielen Berufen, sondern auch zentral für die Entwicklung fundierter eigener Standpunkte und die Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe. Jenseits des Kompetenzerwerbs ist es wünschenswert, dass bereits Kinder und Jugendliche das Interesse und Selbstwirksamkeitserleben entwickeln, welches sie benötigen, um digitale Technik für die Verfolgung eigener Ziele zu nutzen. Diese Prozesse des digitalen Empowerments erforschen wir in unseren Arbeiten zum digitalen Making. Wir untersuchen, wie man insbesondere Kinder und Jugendliche dazu ermutigen kann, digitale Technik für die Entfaltung kreativer Ideen ebenso zu nutzen wie zum Lösen praktischer individueller oder gesellschaftlicher Probleme. Gerade der non-formale Bildungssektor birgt großes Potenzial für digitales Empowerment, beispielsweise im Rahmen der immer größer werdenden Maker-Bewegung.
Um ein umfassendes Bild davon zu erhalten, was junge Menschen zur Teilhabe im MINT-Bereich bewegt, erforschen wir auch die Rolle von Eltern, Peers und Lehrkräften für die Entwicklung entsprechender Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Die so gewonnenen Erkenntnisse tragen zur Gestaltung niedrigschwelliger non-formaler Angebote und motivierender Settings für informelles Lernen bei.
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
2. Kulturelle Bildung
Mehrere unserer Projekte zum Schwerpunkt kulturelle Bildung befassen sich mit einem breiten Spektrum künstlerisch-kultureller Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen, die trotz ihrer Bildungsrelevanz und ihres Eigenwerts in groß angelegten Bildungsstudien oft unzureichend abgebildet werden. Unser besonderer Fokus liegt hier auf Forschung zu kultureller Bildung im engeren Sinne, also zu Musik, Literatur, Darstellender und Bildender Kunst sowie Hybridformen daraus. Jenseits davon sind jedoch auch Aktivitäten zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes von der Baukultur bis hin zu Kulturlandschaften in ländlichen Räumen Gegenstand unserer Forschung.
In einer postdigitalen Gesellschaft ist es auch für kulturelle Teilhabe zentral, dass Menschen lernen, digitale Technik für die Verfolgung der eigenen Ziele zu nutzen. Wir untersuchen daher, wie man insbesondere Kinder und Jugendliche dazu ermutigen kann, diese Technik für die Entfaltung kreativer Ideen einzusetzen. Die Grenzen zur MINT-Bildung sind hierbei fließend.
Ähnlich wie im MINT-Bereich erforschen wir auch in Bezug auf kulturelle Aktivitäten die Rolle von Eltern, Peers, Lehrkräften und anderen Bezugspersonen für die Entwicklung der Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen und erforschen Gestaltungsmerkmale für niedrigschwellige Bildungsangebote.
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
3. Sprachliche Bildung
Lesen und Schreiben wird von vielen Menschen als intrinsisch wertvolle Beschäftigung empfunden und allein schon aus Freude am Umgang mit Sprache gepflegt. Dies gilt für die Muttersprache ebenso wie für fremdsprachliche Aktivitäten. Im Rahmen sprachbezogener Aktivitäten werden auch die dafür nötigen Kompetenzen und die damit einhergehenden Selbstwirksamkeitsüberzeugungen gefördert. Darüber hinaus eröffnet das Lesen von Sachtexten und Literatur wichtige Zugänge zur Welt. Es kann der Information dienen, erlaubt die fokussierte und differenzierte Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhalten und das Vertrautwerden mit anderen Kulturen und Epochen. Schreiben dient der Kommunikation ebenso wie der Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensrealität Der mündliche und schriftliche Gebrauch von eröffnet darüber hinaus Möglichkeiten zum Kennenlernen von und zum Austausch mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen.
Bei der Erforschung von sprachbezogener Bildung legen wir den Schwerpunkt auf den Bildungsgehalt informeller Gelegenheiten zu Lesen, Schreiben und Fremdsprachengebrauch. Gerade durch digitale Tools, sei es im Rahmen von sozialen Medien oder im Kontext von erweiterter Realität („augmented reality“) eröffnen sich hier Möglichkeiten für die Förderung von lese- und schreibbezogenen Aktivitäten und Kompetenzen im Besonderen sowie persönlicher Entwicklung im Allgemeinen.
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
Übergreifende Themen
Fächerübergreifende Kompetenzen, bildungsbezogene Überzeugungen und charakteristische Anpassungen
Jegliche bildungsrelevanten Aktivitäten, sei es im MINT-Bereich, in den Künsten oder in Bezug auf Sprachen geschehen in Wechselwirkung mit bildungs- und handlungsrelevanten Persönlichkeitseigenschaften. Dies betrifft grundlegende Eigenschaften wie Arbeitsgedächtnis, Intelligenz und die Big Five ebenso wie Überzeugungen, persönliche Ziele, dispositionelle Selbstregulation und andere handlungsnahe Persönlichkeitsaspekte („personal action constructs“). Derartige Persönlichkeitseigenschaften beeinflussen wesentlich den Erfolg beim Lösen komplexer Probleme. Mit ihnen befassen wir uns vor allem aus der Perspektive bildungsbezogener Diagnostik.
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
Fokus „Ländliche Räume“
Für die zunehmend mit digitaler Infrastruktur ausgestatten ländliche Räume birgt der digitale Wandel neue Möglichkeiten. Insbesondere solchen ländlichen Regionen, die von Jugendabwanderung und demografischem Wandel bedroht sind, können empowernde digitale und hybride Bildungsangebote einen entscheidenden Beitrag leisten. In unseren Projekten loten wir daher ihr Potenzial für die Förderung non-formaler und informeller Lern- und Bildungsprozesse aus und nehmen die damit einhergehenden Chancen für die partizipative Entwicklung von Bildungs- und Kulturlandschaften in den Blick. Wir identifizieren, systematisieren und analysieren “gute Praxis” für kulturelle Bildung und partizipative Regionalentwicklung im postdigitalen Zeitalter. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Themen ehrenamtliches Engagement und Bindung an ländliche Räume sowie damit einhergehende Überzeugungen.
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
Fokus „Forschungssynthesen und Data Science/Big Data“
Wir verwenden Forschungsmethoden aus dem Umfeld von Text Mining und Künstliche Intelligenz, um breite, sonst im Rahmen von Mapping Reviews nur unvollständig kartierbare Forschungsbereiche aufzuarbeiten. Im Rahmen dieser Reviews führen wir die – gerade im Bildungsbereich häufig disziplinär fragmentierte – Literatur systematisch zusammen und identifizieren „Hot Topics“, d.h. verstärkt untersuchte, spezifischeren Forschungsfragen. Ziel dieser Arbeiten ist es, vorhandene Evidenz und gute Praxis zu dokumentieren, weitere Forschung insbesondere zu digitalen Lern- und Bildungsprozessen anzuregen und evidenzbasierte Entscheidungen zu ermöglichen. Forschungssynthesen sind häufig Teil unserer Projekte in den verschiedenen Themenschwerpunkten. Darüber hinaus setzen wir die hier verwendeten Methoden perspektivisch für die Analyse von mittels qualitativen Erhebungsmethoden erhobenen Daten ebenso ein wie für datenschutzgerechte Erhebung und Analyse von Lernprozessdaten, wie sie bei der Nutzung bildungsbezogener Software erhoben werden („learning analytics“).
Exemplarische Drittmittelprojekte und Publikationen
siehe englischsprachige Beschreibung
Literatur
Elder, G. H. (1974). Children of the Great Depression. Social Change in Life Experience. Chicago: University of Chicago Press.
Schmidt F. L., Hunter J. E. (1998). The Validity and utility of selection methods in personnel psychology: Practical and theoretical implications of 85 Years of research findings. [KS10] Psychological Bulletin, 124(2), 262-274.
Klieme, E. (2006). Empirische Unterrichtsforschung: aktuelle Entwicklungen, theoretische Grundlagen und fachspezifische Befunde. Einführung in den Thementeil Zeitschrift für Pädagogik 52 (6), 765-773.